Samstag, 10. August 2013

Sarek Reisebericht: Tag 1 - Gällivare bis kurz vor Kisurisstugan: No plan survives contact with the enemy




Montag, 01.07.13: Gällivare ist die Stadt der Friseure. Über zehn Haarschneider zählen wir an diesem Morgen auf dem Weg zum Geldautomaten, der nur zwei Blöcke vom Hotel entfernt in der Storgatan liegt. Während der Tour müssen wir die Boot-Transporte sowie Abendessen und Frühstück in der Fjällstation Saltoluokta bezahlen. Dazu kommt die Busfahrt nach Ritsem und die von Saltoluokta/Kebnats zurück nach Gällivare. Grund genug, noch ein paar Kronen abzuheben. Unsere kleinen Rucksäcke lassen wir mit frischer Wäsche, Rasierzeug etc. im Hotel zurück.

Der Bus fährt schon um 8.35 Uhr an der Haltestelle neben dem Bahnhof vor. Wir sind angenehm überrascht, hatten wir doch nicht mit einem klimatisierten Luxus-Liner gerechnet. Tickets kann man nur im Bus kaufen, nicht im Bussgods-Gebäude. 333 SEK (38,40 EUR) kostet die Fahrt nach Ritsem pro Person. Bezahlt wird bar oder mit Kreditkarte. An diesem Tag allerdings nur bar, denn der Kartenleser ist defekt. Gut, dass wir Geld geholt haben ...



Komfortabler Reisebus: Linie 93 nach Ritsem an der Haltestelle vor dem Gällivarer Bahnhof.
Wir sind nicht allein: Weitere Trekker und Daypacker haben sich eingefunden.
Als wir um 9 Uhr abfahren, sind es 19 Grad. Unterwegs fällt das Thermometer stetig bis auf 14. Ab Kebnats regnet es. Auf der Höhe des Suorva-Staudamms öffnet der Himmel seine Schleusen richtig und wir beneiden die Gruppe junger Trekker, die hier aussteigt und sofort durchnässt ist, nicht. Der Sarek liegt in eine dichte Wasserwand gehüllt auf der anderen Seite. Angesichts des miesen Wetters setze ich ganz auf den "Pfad-Effekt" und gehe davon aus, dass an unserem Zielort besseres Wetter sein wird. Und so ist es dann auch: Auf den letzten zehn Kilometern vor Ritsem lässt der Regen langsam nach und hört schließlich ganz auf.

12.30 Uhr: Ankunft in Ritsem. Der Bus hält erst am Bootsanleger und fährt dann weiter bergauf zur Fjällstation. Wer dort noch Gas kaufen muss, sollte also sitzen bleiben. Das Boot legt laut Plan um 14.30 Uhr ab. Wir sind etwas nervös, weil in einem Foren-Bericht stand, dass man hätte rennen müssen, um das Boot noch zu erreichen. Die Frage stellt sich dann aber gar nicht; der Bootsanleger ist leer. Bei einem Zeitfenster von zwei Stunden wie in unserem Fall hätte man auch noch gemächlich zu Fuß zur Fjällstation laufen können.


Noch verwaist: Der Bootsanleger in Ritsem, links oben am Hang die Fjällstation.
Die M/S Storlule kommt bereits um 13 Uhr von Änonjalmme herüber und die versammelte Trekker-Gemeinde macht sich bereit zum Aufbruch. Der Kapitän kennt das Schauspiel vermutlich schon und weist höflich aber bestimmt darauf hin, dass die Abfahrt nicht vor 14.30 Uhr stattfinden wird. Also verlassen alle den Steg und setzen sich wieder auf die Steine am Ufer. Das gibt mir die Zeit, diese Zeilen zu schreiben.

Inzwischen trägt der Wind vereinzelte Regentropfen aus dem Sarek herüber. Ein Vorgeschmack auf das, was uns am nächsten Tag erwarten sollte. Schneereste sind auf den Höhenzügen zu sehen, das Akka-Massiv liegt im diffusen Licht zum Teil in den Wolken und ich frage mich, wie sumpfig es wohl werden wird. Wir hatten bis zuletzt keine zuverlässige Prognose zur Schneelage im Sarek, deshalb bin ich erleichtert zu sehen, dass nicht mehr viel da ist. Das unnütze Warten so kurz vor dem eigentlichen Start macht mürbe. Ich wäre lieber schon drüben, allerdings wird es auch nicht dunkel. Wir haben alle Zeit der Welt, also ruhig bleiben.

Wolkenverhangen: Das Akka-Massiv auf der anderen Seite des Akkajaure.

Boot-Transport: Die M/S Storlule braucht ca. 40 Minuten für die Überfahrt nach Änonjalmme.

Platz ist in der kleinsten Hütte: Zu diesen Trekking-Rucksäcken gesellte sich noch ein Cross-Motorrad.

Himmel über dem Padjelantaleden: Langsam bricht die Sonne durch.
Während der Überfahrt, die pro Person 250 SEK (28,90 EUR) kostet (bar und Kreditkarte), verändert sich das Wetter rasant. Und als wir in Änonjalmme anlegen, scheint tatsächlich die Sonne. Was für ein Start!

Wie bestellt: Sonnenschein am Bootsanleger Änonjalmme.

Wegweiser oberhalb des Bootsanlegers: Spätestens hier sollte man über Mückenschutz nachdenken.
Akka-Massiv voraus: Auf dem Padjelantaleden unterwegs in Richtung Vuojatätno ("Fluss, den die Rentiere durchschwimmen")

Der mächtige Vuojatätno: Hier müssen wir dankenswerterweise nicht furten.

Schwingt ein wenig, hält aber: Die Hängebrücke über den Fluss.

Auf der anderen Seite: Wegweiser am Padjelantaleden. Wir laufen nach Süden, Richtung Kisuris.

Blick auf den Fluss vom Padjelantaleden, etwa zwei Kilometer von der Brücke entfernt.

Fast schon ein Spazierweg: Die Orientierung auf dem ausgetretenen Padjelantaleden ist kein Problem.

Zwei bis drei Kilometer nach der Flussüberquerung ist unsere gesamte Etappenplanung inklusive Reservetag zum Teufel.

Ein Geflecht deutlicher Pfade zweigt unmittelbar vor einem Bach, der den Padjelantaleden quert, nach Süden Richtung Akka-Massiv ab. Das könnte der Abzweig sein, den wir nehmen wollen um wie geplant durch den namenlosen Einschnitt zwischen Akka-Massiv und der vorgelagerten Erhebung in den Sarek zu gelangen. Marc testet den Weg kurz an, verliert aber dessen weiteren Verlauf und kehrt zurück. Wir entscheiden uns, weiter zu gehen und hoffen auf einen weiteren Abzweig. Der kommt nicht - womit rückblickend klar ist, dass dies wohl der Weg in den Sarek gewesen wäre.

Ursprünglicher Etappenplan mit Übernachtungsregionen und reinen Gehzeiten aus den Führern.

Tatsächlicher Weg mit Übernachtungsorten. Gehzeiten inklusive Pausen (30-40 min. gesamt pro Etappe).

Als die Erkenntnis nicht mehr wegzureden ist, ist es 18.30 Uhr und wir sind ein gutes Stück weitergelaufen. Zu weit, um jetzt noch umzudrehen. Deshalb beschließen wir zähneknirschend, auf Nummer sicher zu gehen und dem Padjelantaleden bis zur Kisuris-Hütte zu folgen. Dort gibt es eine weitere Einstiegsmöglichkeit in den Nationalpark. Das bedeutet einen Umweg von mehreren Kilometern und entspricht zeitlich unserem Reservetag. Weitergedacht heißt das, dass wir von nun an jeden Tag Strecke machen müssen, um das Ziel Saltoluokta rechtzeitig zu erreichen. Egal, was kommt.

Leider nur fast romantisch: Die Lagefeuer-Idylle täuscht über die unglaubliche Mückenplage hinweg.
Etwa zwei bis drei Kilometer vor der Kisurisstugan macht sich die ungewohnte Anstrengung bemerkbar. Immerhin laufen wir uns gerade erst ein und die Rucksäcke sind randvoll. Es ist 19.30 Uhr, als wir das Zelt am Rande des Padjelantaleden aufbauen. Marc schafft es, das feuchte Holz mit Birkenrinde und Funkenstab in ein Lagerfeuer zu verwandeln. Die unzähligen Mücken stört das nicht und so wird es zur letzten Geschicklichkeitsübung der Etappe, das Essen unter dem Mosquito-Netz hindurch mückenfrei in den Mund zu bekommen. Gegen 22.30 Uhr endet für uns der Tag. Der Sonne ist das gleich, sie scheint die ganze Nacht. Es ist so warm im Zelt, dass wir die Schlafsäcke offen lassen.

Friedliche Abendstimmung: Unser Zeltplatz am Padjelantaleden mit Blick zurück auf das sonnenbeschienene Akka-Massiv. Dunkler wird es nicht.

Erkenntnisse des Tages:

1. Den Bus nach Ritsem (333 SEK/38,40 EUR) kann man (in der Regel) bar und mit Kreditkarte bezahlen. Gleiches gilt für den Boot-Transport Ritsem-Änonjalmme (250 SEK/28,90 EUR).

2. Die Zeit zwischen Busankunft in Ritsem und der Abfahrt des Boots nach Änonjalmme ist großzügig bemessen (zumindest im Juli 2013).

3. Der Padjelantaleden ist nicht zu verfehlen. Der erste Abzweig in den Sarek schon.

4. Bleib' in Bewegung. Wer stehen bleibt, ist in sekundenschnelle von 30+ Mosquitos besetzt.

5. Trust your instincts.

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